Tanz-, Theater- und Performance im Humboldt Forum
Berlin [ENA] Die TRANSKONTINENTALE ist ein neues Format, das internationale Tanz-, Theater- und Performance-Gastspiele im Humboldt Forum präsentiert und 2024 die folgenreiche Berliner Afrika-Konferenz vor 140 Jahren in Erinnerung bringt. Weitere Informationen unter: https://www.humboldtforum.org/
In der ersten Festivalausgabe liegt der Fokus auf Produktionen aus Kamerun, der Republik Kongo, Mosambik, Namibia, Nigeria, Ruanda und Südafrika. Die Gastspiele aus den ehemaligen Kolonialgebieten Deutschlands und darüber hinaus in Afrika setzen sich an vier Festivaltagen unterhaltsam wie kritisch mit Kolonialismus und fortdauernder Kolonialität auseinander. Das Publikum ist eingeladen, sich mit den vielfältigen Stimmen der Künstler*innen auseinanderzusetzen und den Sammlungen im Humboldt Forum neu zu begegnen.
Die von Reichskanzler Bismarck einberufene Zusammenkunft von zwölf europäischen Mächten, dem Osmanischen Reich und den USA ist als Berliner Afrika-Konferenz bekannt. Sie fand vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 im Reichskanzler-Palais in der Wilhelmstraße in Berlin statt und sollte die Handelsfreiheit am Kongo und am Niger regeln. Ihr Schlussdokument, die „Kongoakte“, bildete die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien im sich anschließenden sogenannten „Wettlauf um Afrika“. Vor der Wilhelmstraße 92 erinnern zwei von zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen initiierte Gedenktafeln an die Konferenz.
Panaibra Gabriel Canda, geboren in Maputo, Mosambik, gehört zu den bedeutendsten Choreografen des afrikanischen Kontinents. In seiner Arbeit spiegelt er die postkolonialen Verwerfungen seines Landes so vieldeutig wie kein anderer. Seine Tanz- und Theaterarbeit Mentiras aplaudidas (7./8. November 2024, 19 Uhr, Saal 2) betrachtet (Kolonial-)Geschichte und die wirtschaftliche und politische Aufteilung Afrikas vor und seit der Berliner Afrika-Konferenz 1884 durch den Filter der historischen Auswirkungen und arbeitet so an einer kritischen Geschichtsschreibung im Gegensatz zu bestehenden Machtsystemen und ihren Narrativen.
The Black Circus of the Republic of Bantu (7./8. November 2024, 21 Uhr, Saal 1) beleuchtet die gewalttätige und beschämende Geschichte der sogenannten „Völkerschauen“, die zwischen 1870 und 1960 in vielen Städten Europas stattfanden und in denen Menschen wie exotische Tiere präsentiert wurden. Als non-binäre*r, südafrikanische*r Künstler*in untersucht Albert Ibokwe Khoza in dieser kraftvollen, interaktiven Solo-Performance die Auswirkungen des imperialen und kolonialen Blicks auf Schwarze Körper in der Vergangenheit und Gegenwart und bezeugt den anhaltenden Schmerz, der durch historischen und aktuellen Rassismus verursacht wird.
„I AM NOT AN OBJECT“ – Im Widerhall der laufenden Debatte um die Rückgabe von Kulturgütern lässt der Tänzer und Choreograph Zora Snake aus Kamerun das heilige Herz der Maske in aller Kraft und Macht sowie als Träger des Widerstands wieder auferstehen. In seinem performativen Parcours L‘OPÉRA DU VILLAGEOIS (9. November 2024, 13 und 18 sowie 10. November 2024, 13 und 17 Uhr, in den Sammlungen 2. OG, R 216 bei freiem Eintritt) leitet er das Publikum durch das Ethnologische Museum im Humboldt Forum und eröffnet im Ritual eine Dimension, die eine neue Perspektive auf die gemeinsame Kolonial-Geschichte und ihre Darstellungen öffnet.
„I AM NOT AN OBJECT“ – Im Widerhall der laufenden Debatte um die Rückgabe von Kulturgütern lässt der Tänzer und Choreograph Zora Snake aus Kamerun das heilige Herz der Maske in aller Kraft und Macht sowie als Träger des Widerstands wieder auferstehen. In seinem performativen Parcours L‘OPÉRA DU VILLAGEOIS (9. November 2024, 13 und 18 sowie 10. November 2024, 13 und 17 Uhr, in den Sammlungen 2. OG, R 216 bei freiem Eintritt) leitet er das Publikum durch das Ethnologische Museum im Humboldt Forum und eröffnet im Ritual eine Dimension, die eine neue Perspektive auf die gemeinsame Kolonial-Geschichte und ihre Darstellungen öffnet.
L‘OPÉRA DU VILLAGEOIS ist eine Hommage an die Bewohner*innen der Dörfer und ehemaligen Königreiche im Kameruner Grasland. Sie erzählt von den verborgenen Reisen der Masken als private Schätze, kapitalistisches Gut, Raubkunst, und auch von den Peitschenhieben, die die Körper seiner Vorfahren erdulden mussten. Sorcières / Kimpa Vita (9. November 2024, 21:00 Uhr & 10. November 2024, 19 Uhr, Saal 2) ist eine kraftvolle Tanz-Show mit Rock-Flair, die den Kampf von Erobererinnen der Vergangenheit und Gegenwart vereint. Der Choreograf DeLaVallet Bidiefono erweckt die „kongolesische Jeanne d’Arc“ Kimpa Vita zum Leben, die um 1700 gegen die Missionare, die Vorgänger der politischen Kolonisatoren, gekämpft hat.
Sie wurde zu einer engagierten Prophetin, die sich für die Unabhängigkeit ihres Landes, für Freiheit und für alle Frauen einsetzte, die gegen Unterdrückung kämpf(t)en. Die Tänzerin Florence Gnarigo verkörpert diese Märtyrerin, die verhaftet, wegen Ketzerei als Hexe (sorcière) angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Der Text zum Stück kommt vom Autor, Regisseur und Schauspieler Dieudonné Niangouna. In Kinder des Wassers (Abani b’amazi) (9. November 2024, 11 & 14:30 Uhr, 10. November 2024, 13 & 15 Uhr, Saal 3) für junge Zuschauer*innen ab sechs Jahren sucht man Wasser vergebens: Wo einst die Großen Seen waren, herrscht Dürre. Über Nacht hat sie sich breitgemacht, heißt es. Seen, Flüsse, Bäche – alles ist ausgetrocknet.
Auch der Wassertank, der auf der Bühne steht. Kinder des Wassers ist ein abenteuerlustiges Theaterstück, spielt in imaginären Welten, und thematisiert ganz konkret das Verschwinden des Wassers. Mit Puppen, Gesang, Tanz und Rhythmen inszeniert diese kollektive Theaterarbeit mit Darsteller*innen aus Ruanda, Burundi, Kenia und der Republik Kongo die Knappheit der lebenswichtigen Ressource.
In einer POETRY SESSION (9. November 2024, 17 Uhr, Mechanische Arena im Foyer) nehmen die zurzeit in Deutschland lebenden Autoren Prince Kamaazengi Marenga (Namibia) und Logan February (Nigeria) mit eigens geschriebenen Texten poetisch Stellung zu Kolonialismus und Kolonialität. Prince Kaamazengi Marenga ist ein Herero, der sich seit einigen Jahren in Lyrik und Spoken Word Interventionen mit der Geschichte und Gegenwart der Herero und dem Genozid der deutschen Kolonialtruppen an den Herero und Nama von 1904 bis 1908 auseinandersetzt. Logan February, geboren 1999 in Anambra, Nigeria, ist non-binäre*r Dichter*in, Essayist*in, Sänger*in, Songwriter*in und LGBTQ-Aktivist*in. Eintritt frei.
Vorschau November/Dezember
Rund um die Gastspiele gibt es für das Publikum in zahlreichen Einführungen und Nachgesprächen Gelegenheit zur Begegnung mit den Künstler*innen. Der Programmschwerpunkt zum afrikanischen Kontinent setzte sich ab dem 29. November 2024 fort in der Sonderausstellung Geschichte(n) Tansanias. Zur Eröffnung versammelt ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm aktuelle, künstlerische Positionen aus Tansania und der tansanischen Diaspora, die den langen Schatten der Kolonialzeit auf künstlerisch-kritische Art und Weise reflektieren und Zukunftsvisionen jenseits des kolonialen Narrativ formulieren.
Ausgewählte Arbeiten aus den Bereichen Film, Tanz, Fotografie, Medienkunst und Musik geben Einblick in aktuelle Debatten, Strategien der kulturellen Wiederaneignung und politische Positionierungen. Am 30. November präsentierte das legendäre Plattenlabel Sisso Records aus Dar es Salaam eine Singeli Label Night mit Live-Acts der Singeli-Szene u.a. mit Jay Mita, Anti Virus, Nana & Zai. Als Höhepunkt des Eröffnungsprogramms präsentiert die tansanische Tanz Company MUDA Africa vom 5.–8. Dezember 2024, jeweils um 19 Uhr, die Europapremiere ihrer aktuellen Arbeit Frozen Power. Weitere Informationen unter humboldtforum.org/tansania