Münchner Medientage 2024 - Revierkämpfe
München [ENA] Neben dem erwartbar dominierenden Thema der Münchner Medientage, der Künstlichen Intelligenz und ihren Auswirkungen auf das mediale und gesellschaftliche Leben, wurden auch die traditionellen Fragen und Konfliktlinien behandelt, also die gewohnte Medien(un)ordnung wieder besichtigt.
Das mediale Tagesgeschäft kam jedenfalls nicht zu kurz - oder blieb uns nicht erspart, je nach Blickwinkel. Just während der Medientage entschieden die Ministerpräsidenten über die Reform des öffentlich-rechtlichen Systems, so daß die Juristen am Freitag bereits neuen Stoff in Händen hielten. Beim Mediengipfel gab es unter den verbliebenen Elefanten der früheren Elefantenrunde, Pro7, BR und Burda für die Verleger, die üblichen Sticheleien, aber da nun alle, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, Federn lassen müssen, klang das nicht mehr besonders dramatisch.
Man erinnert sich der Warnung des einstigen ZDF-Intendanten Markus Schächter angesichts solcher Revierkämpfe und der drohenden internationalen Konkurrenz, man möge nicht die falsche Tür bewachen. Durch die andere Türe ist mittlerweile eine lebhafte Streaming-Szene eingezogen, in der ebenfalls einige Rangeleien ausgetragen werden: "Konsolidieren oder kassieren – TV und Streaming im Verteilungskampf" oder "Schöne neue Streamingwelt". Auch hier nehmen sich die seit langem gehegten Wünsche nach einem nationalen Gegengewicht gegen die US-Konkurrenz bieder-bescheiden aus.
Pro7 konnte sich für Joyn eine Kooperation mit RTL vorstellen, doch RTL fühlt sich stark genug, allein zu bleiben, und die ARD-Mediathek tritt ohnehin unter einem anderen Finanzierungsmodell an. So sind neben dem Platzhirsch Netflix auch Disney, Amazon Video, Paramount, Apple und wer weiß was sonst noch aktiv, und es werden nicht weniger, auch wenn nach dem Corona-Boom eine Wachstumsberuhigung eingetreten ist. Warner kündigte seine HBO- und Discovery-Inhalte für Deutschland ab 2026 unter dem Namen Max an. Das neue teilwerbefinanzierte Modell von Netflix gilt als erfolgreich.
Eine Erleichterung produziert neue Erschwernisse
Eine vergleichsweise marginale, für die Betroffenen aber gleichwohl wichtige Änderung der Kräfteverhältnisse in der Distribution war im Sommer das Ende des Nebenkostenprivilegs. Dies hatte der Bundespost bei Einführung des Privatfernsehens in den 80er Jahren politisch gewollt die Möglichkeit verschafft, die hohen Infrastrukturkosten der Verkabelung mit sanftem Druck und Rechnungskosmetik (eben der Verschiebung zu den Wohnungs-Nebenkosten) akzeptabel erscheinen zu lassen und die sonst gewiß nicht ausreichende Nachfrage zu forcieren. Daß es 40 Jahre brauchte, um dieses marktverzerrende Privileg zu Fall zu bringen, kann man auch als Zeichen für die hiesige Medienpolitik werten.
Als nun in einer Diskussion ein Kassensturz der Beteiligten unternommen wurde, erlebte man jedoch keineswegs Erleichterung, sondern neue Verzerrungen. Um die "frei" gewordenen Kunden erwuchs ein lebhafter Wettbewerb der heutigen Verbreitungswege: (Telekom)-Telefonnetz und Zattoo als weiterem Distributor, den heutigen Kabelnetzbetreibern Vodafone und Tele-Columbus und, hier nicht anwesend, DVB-T und Satellit. Streitpunkt waren die sog. Schwarzseher, d.h. diejenigen Kabelkunden, die ohne Neuabschluß weiterhin Kabelfernsehen haben, weil die faktische Abschaltung in den Häusern von Vodafone nachsichtig betrieben wird.
Nun behaupten die anderen Wettbewerber, allen voran Markus Härtenstein, Exaring AG als Betreiber von waipu.tv, daß ihnen diese potentiellen Kunden von Vodafone vorenthalten würden. Das ist natürlich ein Kurzschluß, denn diese Leute haben ja noch immer die Wahl, zu den kostenlosen Plattformen DVB-T und Satellit zu gehen, und fallen dann ebenfalls für die kostenpflichtigen Plattformen weg. Die Unterstellung, diese Kunden hätten sich nur zwischen diesen kostenpflichtigen Plattformen zu entscheiden, zeigt das eingetrübte Marktverständnis dieser Beteiligten, und Härtensteins offensiv-usurpatorische Haltung, die "DVB-Welt" insgesamt zum Verschwinden bringen zu wollen, markiert den zweifellos inakzeptablen Extrempunkt dieser Diskussion.
Kuriosa
Es gab auch Gelegenheit für Begegnungen der 3. Art - wie man früher gesagt hätte. Der XR HUB Bavaria ließ unter dem rätselhaften Titel "Drei Zukunftskompetenzen" Alexandra Tamayo von onliveline die 3-D-Figur Yuuki T. vorstellen, die auf dem Bildschirm recht munter auf Fragen antwortete. Es wurde jedoch nie klar, mit welcher Technik hier gearbeitet wurde und welche Rolle die KI dabei spielte. Auch die Zweckbestimmung verlor sich im Nebel der Phantasie. So wurde behauptet, daß es um die bessere Nutzung von KI-Tools ginge.
"Um das Verständnis für diese Tools zu fördern, entwickelte Yuuki einen Escape Room, der während einer Veranstaltung begann und sich in ein virtuelles Team-Meeting verwandelte. Zudem gründete sie gemeinsam mit ihrer Großmutter ein digitales Teehaus, wo sich Mitarbeitende treffen, um sich gegenseitig beim Erlernen der KI-Tools zu unterstützen." * *