
Erschreckende Bilanz: 56 Mitarbeiter auf dem Bau tot

Herdecke [ENA] „Ein Dachdecker stürzt bei Reparaturen eines Hoteldachs in Berlin 20 Meter in die Tiefe. Ein 65-Jähriger Bauarbeiter fällt von einem Gerüst in München 15 Meter tief und landet auf einer Schachtabdeckung. In Hamburg kippt ein Mitarbeiter beim Wohnungsbau 12 Meter hinab ins Tiefgeschoss.
Für alle drei Männer kommt jede Hilfe zu spät. Sie sterben noch am Unfallort.“ Zitat aus der Berliner Morgenpost vom 05.12.2022. Nun wissen alle Berichterstatter auch sofort woran es gelegen hat. Bauarbeiter stürzen sich in den Tot, weil Absperrungen fehlen, Gerüste nicht in Ordnung sind und Löcher nur provisorisch mit Brettern und Verschalungsmaterial abgedeckt werden. Das sind aber nicht die eigentlichen Ursachen, dass sind die Auswirkungen von vorausgegangenen Unterlassungen.
. Denn, warum ist das Gerüst fehlerhaft? Weil es nicht regelgerecht errichtet wurde und die Beschäftigten ihren Arbeitsauftrag erfüllen wollten. Besteht der Mitarbeiter auf Nachrüstung und Beseitigung der Fehlerquellen, dann ist er mit unter der „Nörgler“. So oder ähnlich erlebt es die sich um die Sicherheit auf den Baustellen kümmernde Sicherheitsfachkraft täglich. Die Sicherheitsfachkräfte laufen hier mit schöner Regelmäßigkeit vor die Wand des Unverständnisses von Führungskräften, die vielfach der Meinung sind, hier muss gearbeitet werden und Arbeitssicherheit machen wir dann auch.
Ein Spruch lautet: „Arbeitssicherheit steht im Mittelpunkt der Baustelle und damit immer im Weg.“ Wer so an den Arbeitsschutz heran geht, der hat da was völlig falsch gelernt und verstanden. Egal, um welche Arbeiten es auch geht, die erste Frage muss lauten: „Kann die Arbeit auch sicher von den MitabeiterInnen durchgeführt werden?“ Wenn auch nur die geringsten Zweifel entstehen, ist mit der Arbeit erst gar nicht zu beginnen.
Doch hier setzen der Termin- und Kostendruck ein. Vorgesetzte zücken den Terminplan und stellen schon zu Beginn der Arbeiten fest, jetzt schon in Terminverzug zu sein. Nun stellt sich sofort die nächste Frage bei den Verantwortlichen, was ist zu tun, um sowohl dem Termin- als auch dem Kostendruck entgegen wirken zu können? Das Gerüst bleibt erst mal so wie es ist, die „Gefährdungsbeurteilung“ für die durchzuführenden Arbeiten auf der Baustelle, übrigens gesetzlich gefordert seit 1996, wird nachgereicht. Noch immer gibt es Unternehmen, die mit Unverständnis aufwarten, wenn die Frage nach der Gefährdungsbeurteilung auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes gestellt wird.
Ja, für alle Tätigkeiten müssen Gefährdungsbeurteilungen vom Unternehmer erstellt werden. Und von wem, kommt dann sogleich die Frage? Eigentlich ganz einfach, vom Unternehmer oder seinen Beauftragten, eben seiner Führungskraft im Unternehmen. Nur mit einer gründlichen Gefährdungsbeurteilung ist es überhaupt möglich, Gefahren bei der durchzuführenden Tätigkeit im Vorfeld zu erkennen, um dann Abhilfe zu schaffen. Des Weiteren ist es erst dann möglich, durch Ein- und Unterweisung die Beschäftigten auf die Tätigkeiten und die mit diesen ggf. verbundenen Gefahren hinzuweisen.
Wer ist nun für die Gefährdungsbeurteilung und deren Erstellung und die anschließende Unterweisung zuständig und verantwortlich? Der Vorgesetzte, für alle Arbeiten auf der Baustelle die in seinem Verantwortungsbereich durchgeführt werden! Also, wenn das Gerüst nicht in Ordnung ist, dass Loch im Boden nicht abgedeckt, der Seitenschutz am Treppenaufgang fehlt und die MitarbeiterInnen keine vollständig Schutzausrüstung benutzen und nicht unterwiesen worden sind, dann ist das nicht in jedem Fall dem zu Tode kommenden Bauarbeiter anzulasten, sondern in vielen Fällen dem zuständigen und verantwortlichen Vorgesetzten.
„Alles was der Vorgesetzte bei der Arbeit, egal wo, auf der Baustelle, im Betrieb oder im Büro duldet, wird zur Norm!“ Hier, vor allen Dingen, dass Abweichen von der Norm ist mit fatalen Folgen bis hin zum Tot verbunden. In vielen Jahrzehnten hat die Sicherheitsfachkraft auf Baustellen und in Betrieben erlebt, wie der Arbeitsschutz, also auch der Gesundheitsschutz, nicht die nötige Beachtung gefunden hat. Über 96 % aller Unfälle werden verursacht durch Fehlverhalten, die restlichen 4 % sind technische und organisatorische Fehler.
Das bedeutet, MitarbeiterInnen in den Betrieben und auf Baustellen muss das Verständnis für sicheres Arbeiten abverlangt werden, z.B. darf Zeitdruck kein Argument mehr für das Unterlassen von Sicherheitsmaßnahme sein. Nur wenn sicher gearbeitet werden kann, dann wird auch qualitativ gut und erfolgreich das Gewerk abgeschlossen. Nicht die Arbeitssicherheit verhindert den erfolgreichen Fortgang der Arbeiten, sondern jeder Unfall stört den erfolgreichen Arbeitsprozess. „Jeder Unfall ist einer zu viel.“